Zuhören – der gängigen Definition zufolge ist das der rein körperliche Vorgang des Hörens plus Aufmerksamkeit. Über das Training dieser zentralen kommunikativen Fähigkeit habe ich schon in meinem Beitrag https://www.traninger.com/wie-trainiert-man-zuhoeren/ geschrieben. Heute möchte ich einige wissenswerte und wissenschaftlich belegte Fakten zum Thema beisteuern.
Rechtskommende haben Vorrang
Wenn Sie von Ihrem Gegenüber etwas möchten, sollten Sie in sein rechtes Ohr sprechen. Ihr Telefon sollten Sie ans rechte Ohr halten. Und wenn Sie sich Gehörtes merken wollen, sollten Sie dafür sorgen, dass der Ton von rechts kommt. Rechts hören wir lieber und besser, und das liegt nicht an den Ohren sondern an unserer Hirnfunktion.
Luca Tommasi and Daniele Marzoli von der Universität Chieti haben das in einer Studienreihe klar nachgewiesen. Sie haben Menschen beobachtet, die bei extrem lauter Musik in einem Club miteinander sprachen. 72 % der Zuhörer liehen dem Sprecher das rechte Ohr. Später wurden in diesem Club insgesamt 176 fremde Menschen abwechselnd am rechten und linken Ohr angesprochen und um eine Zigarette gebeten. Die auf der rechten Seite gefragten gaben sigifikant mehr Zigaretten her.
Der neurologische Hintergrund: Sprache wird vorrangig in der linken Gehirnhälfte verarbeitet, und der Zugang zu dieser Seite ist das rechte Ohr.
Quelle: https://www.springer.com/about+springer/media/springer+select?SGWID=0-11001-6-805392-0
Männer hören besser als Frauen
Männer können nicht zuhören, lautet ein häufig geäußertes Vorurteil. Aber stimmt das? Nun, wenn ja, dann liegt das bestimmt nicht am Hören. Ida Zündorf, Hans-Otto Karnath und Jörg Lewald vom Universitätsklinikum Tübingen haben die Hörwahrnehmung in der sogenannten „Cocktailpartysituation“ untersucht und festgestellt, dass Männer in einem lauten Umfeld mit Stimmengewirr und Schall aus allen Richtungen ein bestimmtes Geräusch aus mehreren wesentlich besser heraushören, isoliert wahrnehmen und lokalisieren können als Frauen. Aber zum Zuhören gehört eben wie oben angeführt viel mehr als Hören. Und in sprachlichen Kompetenzen sind die Frauen den Männern insgesamt überlegen.
Quelle: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0010945210002194
Lesen und Zuhören gleichzeitig geht nicht
Ist unser Gehirn konzentriert mit dem Vorgang des Sehens beschäftigt, schraubt es seine Fähigkeiten beim Hören hinunter. Die Neurowissenschaftler James Macdonald und Nilli Lavie von den Universitäten Oxford und University College London haben mit ihren Studien eindrucksvoll bewiesen, dass wir zu dieser Form des Multitaskings einfach nicht fähig sind. Sie haben mit ihren Studien den Begriff der „inattentional deafness“ oder „Unaufmerksamkeitstaubheit“ geprägt. Je konzentrierter man sich der visuellen Aufgabe widmet, desto tauber wird man für die gehörte. Für Männer und Frauen gilt das übrigens gleichermaßen. Fußgänger, die gebannt aufs Handy blicken, brauchen also gar keine Earphones, um das herannahende Auto zu überhören. Und Help Desk Agents, die online schon mitten in der Fehlersuche oder –behebung stecken, haben kein Ohr mehr für die Anrufer in der Leitung. Eine Erkenntnis mit weitreichenden Konsequenzen für die Verkehrssicherheit und für die professionelle Dialogführung.
Quelle: https://link.springer.com/article/10.3758%2Fs13414-011-0144-4