Jeder versierte Verkäufer kennt den Trick: „Gefällt Ihnen der rote besser oder der blaue?“ „Kaffee oder Dessert?“ „Kommen Sie zu uns oder treffen wir uns bei Ihnen?“ Zwei positive Vorschläge werden zur Wahl gestellt, ein Nein rhetorisch ausgeschlossen. Das bringt mehr Abschlüsse, benötigt aber viel Fingerspitzengefühl, damit sich der Kunde nicht eingeengt fühlt. Der letztgenannte Vorschlag hat eine höhere Wahrscheinlichkeit akzeptiert zu werden, dahinter steckt wohl eine Art Echoeffekt. Bloß nie einen positiven und einen negativen Vorschlag machen, im Sinne von „Soll ich das für Sie buchen oder wollen Sie erst noch überlegen?“! Das gibt ganz schlechtes Feedback im Verkaufsseminar und miese Zahlen in der Praxis. Zwei positive Vorschläge werden gemacht und der, den der Verkäufer bevorzugt, wird zuletzt genannt.
So weit, so richtig. Weit weniger Beachtung findet die Tatsache, dass die Alternativfrage auch im Kundenservice zu messbarer Effizienzsteigerung führt. Hier geht es nicht um Verkaufszahlen sondern um Steuerung im Gesprächsprozess und um Bearbeitungszeiten. Nehmen wir als Beispiel einen Kunden, der an der Telefonvermittlung die Buchhaltung verlangt. „Sind Sie Kunde oder Lieferant?“ bringt ein schnelleres und präziseres Routing als „In welcher Angelegenheit?“ Auch die geschlossene Frage „Sind Sie Kunde?“ erzeugt bei einem „Nein“ einen zeitraubenden Klärungsprozess, weshalb ich sie nur dann empfehle, wenn sie mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit mit „Ja“ beantwortet wird. Ein weiteres Beispiel: „Möchten Sie warten oder dürfen wir Sie innerhalb der nächsten 20 Minuten zurückrufen?“ bringt freie Leitungen und sinkende Wartezeiten im Call Center. Auch eine IVR kann diese Aufgabe bewältigen, in der Variante als VoiceBot mit natürlicher Spracherkennung sogar ohne lästiges „…dann drücken Sie die 1“. Mehr als zwei Möglichkeiten zu nennen empfehle ich am Telefon nicht, damit erschwert man die Entscheidung und erzeugt Verzögerung oder sogar Verärgerung auf Kundenseite.
Ein Tipp für Ihre Dialogplanung: Machen Sie es wie die Slalomläufer, die den Kurs immer von unten nach oben einstudieren. Überlegen Sie zuerst, welche Antwort Sie hören wollen und formulieren Sie dann die Frage. Ist die Zielantwort eine ausführliche Erklärung, planen Sie mit einer offenen Frage. Ist es ein Ja oder Nein, fragen Sie geschlossen. Und wenn es um eine Wahl aus verschiedenen Möglichkeiten geht, fragen Sie alternativ und nennen Ihren Favoriten zuletzt.
Um den Effizienzgewinn der Dialogsteuerung mit Alternativfragen zu verdeutlichen, hier zwei Beispiele aus der Praxis:
- Eine Versicherungsagentur in einer ländlichen Region mit 3 Außendienst- und einer Innendienstmitarbeiterin absolvierte ihre Kundentermine mit sehr wenigen Ausnahmen durch Besuche beim Kunden. Eine Außendienstmitarbeiterin musste ihre Arbeitszeit aus privaten Gründen reduzieren. Als Lösung lag es nahe, die Kunden vermehrt ins Büro zu bitten, um Fahrtzeiten zu sparen. Allerdings waren die Kunden seit Jahrzehnten an die Hausbesuche gewohnt, man befürchtete ablehnende Reaktionen. Wir empfahlen den konsequenten Einsatz der Alternativfrage „Soll ich (er/sie) zu dir fahren oder schaust du (am/um/im Laufe…) bei uns im Büro vorbei?“, passend zum gewohnten Umgangston leger formuliert und den Kunden die Entscheidung überlassend. Die nunmehr 2 ½ Außendienstmitarbeiter konnten dadurch die Termine ohne Schwierigkeiten bewältigen, die Kundenzufriedenheit stieg zur einhelligen Überraschung sogar an und nach Rückkehr der Kollegin zur Vollzeit war Potential zum Ausbau der Kundenzahl vorhanden, was auch genutzt werden konnte.
- Im Rahmen eines Projektes zur Reduktion von Wartezeiten in einer Telefonvermittlung isolierten wir zuerst in einer Bestandsaufnahme all jene Gespräche, die nach der ersten Wortmeldung der Anrufer eine Rückfrage erforderten, fassten Sie in Kategorien zusammen und definierten in einem Workshop für jede Kategorie die Wunschantworten. Anschließend formulierten wir die zugehörigen Zielfragen, manche geschlossen, manche alternativ, sehr wenige offen. Unter Einberechnung aller – also auch der unveränderten – Gespräche erreichten wir eine Verringerung der durchschnittlichen Zeit bis zum Verbinden von 20 auf 18 Sekunden. Eine Zeitersparnis von 2 Sekunden mag auf den ersten Blick geringfügig erscheinen, allerdings sind die Auswirkungen beträchtlich: Bei einer Besetzung der Vermittlung mit zwei Mitarbeiterinnen und einem Gesprächsaufkommen von 200 Calls pro Stunde reduziert sich die durchschnittliche Wartezeit von 8,9 auf 6 Sekunden und zur absoluten Peaktime mit 300 Calls in der Stunde von 45,5 auf 23,1 Sekunden. Bei gleichbleibendem Personalaufwand.
Dieses Projekt ist lange Jahre her. Viele Bereiche der Kunden- und Servicekommunikation lassen sich mittlerweile hervorragend automatisieren, und die Telefonvermittlung ist einer davon. Heute würden wir in der Bestandaufnahme den Fokus zuerst auf jede Bereiche legen, die automatisierbar sind. Basis dafür sind hervorragende Softwaretools und gezielte Fragetechnik im Rahmen einer strukturierten Dialogplanung. Die Alternativfrage spielt dabei eine wichtige Rolle.