Fragetechnik Teil 5 – Die neue „Ja-Straße“

Zu den früher viel gelehrten Verkaufstechniken, die heute völlig out sind, zählt die berüchtigte „Ja-Straße“. Das ist eine Technik, bei der man Kunden hintereinander viele geschlossene Fragen stellt, die erwartungsgemäß durchwegs mit „Ja“ beantwortet werden, um schließlich mit dem letzten „Ja“ den Abschluss einzufahren. „Sind Sie oft mit der Familie unterwegs?“ „Ja.“ „Mit Kindersitzen?“ „Ja“. „Und viel Gepäck?“ „Ja.“ „Ist es Ihnen wichtig, dass da alles sicher verstaut ist?“… und so weiter, bis schließlich der Vertrag für ein viel größeres Modell unterschrieben wird als ursprünglich geplant. Oder, noch unangenehmer, mit Suggestivfragen: „Ihnen liegt die Gesundheitsversorgung der Familie doch sicher am Herzen?“ „Und Ihnen ist doch sicher wichtig, dass Sie im Notfall schnell Hilfe bekommen?“ „Und Sie wissen, dass die Rettungsorganisationen auf die finanzielle Unterstützung der Bevölkerung angewiesen sind?“ „Dann unterschreiben Sie den Dauerauftrag hier rechts unten.“ Nun, mit Techniken wie diesen macht man zwar unbestreitbar Verkaufsabschlüsse, längerfristig ist der Imageschaden aber verheerend. Wer in den 90er Jahren mit den damals in vielen Sparten populären Systemvertrieben zu tun hatte, wird das bestätigen können. Ich habe mir damals den Spaß gemacht, Schulungsunterlagen dieser Vertriebe zu sammeln, das waren oft bis zu 40, 50-seitige Listen mit Fragen, die von so gut wie jedem Kunden mit Ja beantwortet werden. Dass das nicht lange gutgehen konnte, liegt auf der Hand.

Ebenso auf der Hand liegt aber die Tatsache, dass die Grundidee der Ja-Straße richtig ist. Ein Ja – gesprochen oder nur gedacht – stimmt positiv, was dem erfolgreichen Gesprächsabschluss selbstverständlich zuträglich ist. Ich vertrete daher durchaus die Position, dass geschlossene Fragen in Kundendialogen grundsätzlich so formuliert werden sollten, dass die Zielantwort „Ja“ lautet. (a)

Wer allerdings mit den „Jas“ eine regelrechte Straße hin zum Abschluss bauen möchte, sollte das besser mit unausgesprochenen „Jas“ tun, also mit Aussagen, die mental Zustimmung auslösen, ohne konkrete Frage. Streng genommen ist die neu definierte Ja-Straße also gar keine Fragetechnik mehr. Sie funktioniert genau nach dem Modell vieler politischen Reden mit Statements, die beim Zuhörer eine Straße von gedachten „Recht hat er! Genau! So ist es!“ auslösen, die schließlich zu einem „JA!“ auf die finale Handlungsaufforderung führen.

Offenkundige Wahrheiten eignen sich dazu, diese Straße aufzubauen. „4 Wahrheiten und eine Behauptung“ (b) nenne ich diese Überzeugungstechnik, also etwa so: „Nun sitzen wir alle miteinander am Tisch. Das Meeting ist sehr gut vorbereitet worden. Von Ihrer Seite und von unserer. Sie haben uns Ihre Anforderungen sehr präzise dargestellt. Und der geplante Projektstart ist schon in zwei Monaten. Deshalb sollten wir heute zu einer Vereinbarung kommen.“ Probieren Sie es aus, Sie werden sehen, es wirkt!

 

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(a) Also etwa bei einem Anruf am Handy „Passt es gerade?“ statt „Stör ich?“

(b) Die Zahl 4 ist als Mindestzahl zu verstehen, es dürfen gern auch mehr „Wahrheiten“ sein.


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Martin Traninger

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