Teil 1 der Artikelreihe zum Zuhörtraining
Wenn man Kunden fragt, was sie sich von ihren Dialogpartnern wünschen, dann steht das Zuhören an erster Stelle. Guten Zuhörern wird emotionale Intelligenz zugebilligt, sie vermitteln und erhalten Wertschätzung und Sympathie. William Ury, einer der führenden Verhandlungsexperten der Welt, bezeichnet das Zuhören als die Schlüsselfähigkeit schlechthin, die wir alle erlernen müssen, wenn wir Erfolg im Dialog haben wollen.
Zuhören ist keine passive sondern eine aktive, bewusste Handlung. Dass wir es als Kunden im Service- und Verkaufsdialog mit hervorragenden aktiven Zuhörern zu tun haben ist alles andere als selbstverständlich. Im Gegenteil, Schwächen bei der Zuhörfähigkeit sind auch in dialogorientierten Berufen weit verbreitet.
Diese Schlüsselfähigkeit im Rahmen einer kurzen Intervention im Training erlernen zu wollen ist natürlich ein sehr anspruchsvolles Ziel und es sei gleich vorweg gesagt, dass die Methoden, die ich gleich beschreiben werde, zwar ein geeigneter Türöffner dazu sind, es aber danach noch intensiver Übung bedarf, um in dieser Disziplin zur Meisterschaft zu gelangen.
Wenn das aktive Zuhören im Seminar am Programm steht, beginne ich gerne mit einer Sensibilisierungsübung. Zum Beispiel dieser hier:
Übung 1 – die Busfahrt
Haben Sie die Antwort gewusst 😉 ? Nach dieser Übung ist vielen klar, dass es beim Thema Zuhören einiges zu lernen gibt!
Die nächsten beiden Übungen sind im Laufe vieler Seminare aus einer bekannten Übung der Gruppendynamik entstanden, die man den „Kontrollierten Dialog“ nennt und die der Verbesserung von Verständigung dient. Der Grundgedanke dabei ist es, sich zurückzunehmen und zu reflektieren, bevor man reagiert.
Zuhörübung „Laut denken“
Für diese Übung frage ich gerne in die Runde, welche Vorlieben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Urlaub haben. Zwei Personen, die eher konträre Vorlieben äußern, bitte ich, ein Freundes- oder Ehepaar zu spielen, das miteinander auf Urlaub fahren will. Eine Person beginnt die Diskussion mit ihrem Urlaubswunsch.
Bevor nun die zweite Person sprechen darf, stelle ich ihr eine Reihe von Fragen, in etwa wie diese:
- Wie geht es dir in dieser Situation?
- Was denkst du dir über deinen Partner?
- Was ist dein erster Impuls, was würdest du jetzt spontan am liebsten antworten?
- Was ist dir denn wichtig, was möchtest eigentlich du?
- Was kannst du jetzt tun, damit du bekommst, was du willst?
- Wie antwortest du daher jetzt?
Dann folgt die Replik und ich richte die Fragenfolge nun an die andere Person. Im Idealfall finden die beiden bald zu einer Einigung, so gut wie immer erreichen sie eine positive, auf gegenseitigem Verstehen basierende Gesprächsgrundlage.
Nach dieser Demonstration werden Dreiergruppen gebildet. In jeder Gruppe gibt es zwei Diskutanten und einen Fragesteller. Jetzt wählen wir berufliche Themen und führen nach dem oben beschriebenen Muster Dialoge mit Kunden. Das können Verkaufsgespräche sein, Anfragen, Verhandlungen, Reklamationsbehandlungen – je nach Thema des Seminars.
Übung 3 – „Die achtsame Debatte“
Für diese Übung leite ich die Teilnehmer an, ein kontroversielles Thema aus dem Alltag zu wählen – parteipolitische und religiöse Themen sind dabei zu vermeiden. Dann werden zwei Gruppen gebildet, die gegensätzliche Standpunkte vertreten. Ich ermutige die Teilnehmer gerne, auch einmal eine Position zu vertreten, die nicht die eigene ist, um damit einen zusätzlichen Lerneffekt zu erzielen.
Ich selber übernehme die Diskussionsleitung. Es gelten die folgenden Regeln:
- Wer sprechen will, muss aufzeigen und darf erst sprechen, wenn der Diskussionsleiter ihm/ihr das Wort erteilt hat.
- Jede Wortmeldung muss mit einer Zusammenfassung der Aussage des Vorredners beginnen.
- Diese Zusammenfassung muss zutreffend und darf nicht wertend sein.
- Ist sie das nicht, entzieht der Diskussionsleiter der Person das Wort.
Als Diskussionsleiter achte ich darauf, dass jede Person zumindest einmal ans Wort kommt. Ich ersuche die Teilnehmer, auf die folgenden Dinge zu achten:
- Wie sie sich in der Diskussion fühlen, insbesondere in den Situationen, in denen sie sprechen möchten
- Wie leicht oder schwer ihnen das Zusammenfassen fällt
- Welche Körpersprache sie an den ihnen gegenüber sitzenden Diskutanten wahrnehmen, während jemand aus der eigenen Gruppe – insbesondere man selber – spricht
Aus dieser Übung nehmen die meisten Teilnehmer mit, wie wertvoll es für den Verlauf der Debatte ist, sich zurückzunehmen und die Aussagen der „Gegenseite“ wertfrei und vollständig zu reflektieren. Es wird transparent, welche Gefühle es auslöst, wenn man wahrnimmt, dass einem nicht (mehr) zugehört wird. Man erkennt, dass man in dem Augenblick, in dem man beginnt, geistig die eigene Wortmeldung zu konzipieren, das Zuhören einstellt und dadurch einen großen Teil der Aussage des Gegenübers nicht mehr bewusst wahrnimmt. Und – das ist für viele die größte Überraschung – man weiß nun, dass die eigene Körpersprache das dem Gegenüber unmissverständlich verrät.
Praxistransfer
Zur Förderung des Transfers der Inhalte in die gelebte Praxis empfehle ich je nach organisatorischer Umsetzbarkeit nach dem Seminar eine von zwei Maßnahmen: die Analyse aufgezeichneter Echtgespräche oder ein Training on the Job, in dem in der Reflektion ähnliche Fragestellungen verwendet werden wie in den beiden zuvor beschriebenen Übungen.